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Schilda 07: Wahl des Bürgermeisters

Art: Schwank
AutorIn: unbekannt
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Da Schilda zum Kaiserreich Utopia gehörte, ist es weiter kein Wunder, dass dem Kaiser von Utopia die Dummheit der Schildbürger bald zu Ohren kam. Da er sich aber in früheren Jahren oft bei ihnen Rat geholt hatte, hielt er das, was man neuerdings über ihre Streiche zu erzählen wusste, für Gerüchte und Gerede.

Deshalb beschloss er, selber einmal nach Schilda zu reisen. Er schickte also einen Boten, kündigte seinen hohen Besuch an und liess ausrichten, sie sollten ihm »halb geritten und halb gegangen« entgegenkommen. Und wenn sich ihre Antwort auf seine Begrüssungsworte reime, so werde er Schilda zur freien Reichsstadt ernennen und den Einwohnern die Steuern erlassen.

Die Aufregung in Schilda war natürlich gross. Und im Rathaus ging es hoch her. Denn wer von ihnen sollte denn dem Kaiser, wenn er käme, antworten? Noch dazu in gereimter Form?

»Das ist doch sonnenklar!« rief der Schuster. »Unser Bürgermeister muss das tun!« »Du hast gut reden«, erwiderte der Bäcker. »Wir haben doch gar keinen Bürgermeister!« Verdutzt sahen sie einander an. Tatsächlich! Sie hatten vergessen, einen Bürgermeister zu wählen! Nun, sie beschlossen einstimmig, gleich am nächsten Tag das Versäumte nachzuholen.

»Und wen wollen wir wählen?« fragte der Schweinehirt neugierig. Da meinte der Ochsenwirt: »Den, der morgen das beste Gedicht macht!« Der Vorschlag gefiel ihnen über alle Massen. Und sie gingen schleunigst heim, um etwas Hübsches zu dichten. Denn jeder von ihnen wäre selbstverständlich gerne Bürgermeister geworden.

In der folgenden Nacht schliefen sie alle miserabel. Jeder lag in seinem Bett und versuchte, irgend etwas zu dichten. Reimen sollte sich’s auch noch! Der Schweinehirt dichtete so angestrengt, dass seine Frau davon aufwachte. Sie zündete eine Kerze an und fragte, was mit ihm los sei. Da verriet er ihr seinen Kummer.

»lch finde keinen Reim«, klagte er, »und möchte doch Bürgermeister werden!« — »Würde ich dann Bürger-meisterin?« erkundigte sie sich. Und als er nickte, begann sie auf der Stelle eifrig nachzudenken.

Schon eine Viertelstunde später hatte sie ein Gedicht fix und fertig:
»Katrine heisst die Gattin mein,
möcht gerne Bürgermeist’rin sein,
ist schöner als mein schönstes Schwein
und trinkt am liebsten Moselwein.«

Sie sprach ihm das Gedicht neunundneunzigmal vor, und er musste es neunundneunzigmal nachsprechen. Da klingelte der Wecker, und der Schweinehirt musste ins Rathaus.

Die meisten Gedichte, die man zu hören kriegte, waren nicht viel wert. Der Schuster trug folgendes vor:
»Ich bin ein Bürger und kein Bauer
und mache mir das Leben bitter.«

»Das kann ich besser!« rief der Hufschmied und dichtete:
»Ich bin ein Bürger und kein Ritter
und mache mir das Leben sauer.«

Doch auch seine Verse fanden keinen rechten Anklang. So ging das eine ganze Weile hin, bis dann der Schweinehirt aufgerufen wurde.

Er holte tief Luft und sagte mit lauter Stimme:
»Meine Frau, die heisst Katrine,
wär gerne Bürgermeisterin,
ist schwerer als das schwerste Schwein
und trinkt am liebsten Bayerisch Bier.«

Dass er damit den Vogel abschoss, wird niemanden von euch wundern. Der Schweinehirt wurde also unter Beifallsrufen zum Bürgermeister von Schilda gewählt. Er und seine Frau waren aufeinander sehr stolz.



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