Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Die Wichtelmänner

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Ein Schuster war ohne eigene Schuld so arm geworden, dass ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder für ein einziges Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu. Die wollte er am nächsten Morgen in Arbeit nehmen.

Am nächsten Morgen wollte er sich zur Arbeit niedersetzen. Da standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er nahm die Schuhe in die Hand, um sie näher zu betrachten: Sie waren so sauber gearbeitet, dass kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür.

Der Schuster konnte von dem Geld Leder für zwei Paar Schuhe kaufen. Er schnitt sie abends zu und wollte am nächsten Morgen mit frischem Mut an die Arbeit gehen. Aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand, waren sie schon fertig! Es blieben auch die Käufer nicht aus. Diese gaben ihm so viel Geld, dass er Leder für vier Paar Schuhe einkaufen konnte. Er fand frühmorgens auch die vier Paar fertig. Und so ging’s immer fort: Was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet. Bald wurde der arme Schuster ein wohlhabender Mann.

An einem Abend sagte der Schuster zu seiner Frau: »Wie wär’s, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns solche hilfreiche Hand leistet?« Die Frau war einverstanden und zündete eine Kerze an. Darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben Acht.

Als es Mitternacht war, kamen zwei kleine, niedliche, nackte Männlein, setzten sich auf des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und fingen an, mit ihren Fingerlein so behände und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, dass der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie liessen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und die Schuhe fertig auf dem Tische standen. Dann sprangen sie schnell fort.

Am andern Morgen sprach die Frau: »Die kleinen Männer haben uns reich gemacht. Wir müssten uns doch dankbar dafür zeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib und müssen frieren. Weisst du was? Ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken. Machst du jedem ein Paar Schühlein dazu.« Abends, als sie alles fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch. Dann versteckten sie sich, um mit anzusehen, wie sich die Männlein dazu anstellen würden.

Um Mitternacht kamen sie herangesprungen und wollten sich gleich an die Arbeit machen. Als sie aber kein zugeschnittenes Leder, sondern die niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich zuerst. Dann aber zeigten sie eine gewaltige Freude. Mit der grössten Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider am Leib und sangen:
»Sind wir nicht Knaben glatt und fein?
Was sollen wir länger Schuster sein!«

Dann hüpften und tanzten sie, und sprangen über Stühle und Bänke. Endlich tanzten sie zur Tür hinaus. Von nun an kamen sie nicht wieder. Dem Schuster aber ging es wohl, so lange er lebte. Und es glückte ihm alles, was er unternahm.
 



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