Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Tischlein deck dich!

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Ähnliches Märchen: Von Schote zu Schote

Ein Schneider lebte zusammen mit seinen drei Söhnen und einer Ziege. Weil aber die Ziege mit ihrer Milch alle ernährte, musste sie gutes Futter haben. Die Söhne führten sie immer abwechselnd auf die Weide. Eines Tages, als der älteste Sohn an der Reihe war, führte er die Ziege zu einem Platz mit besonders saftigen Gräsern. Da konnte sich die Ziege satt fressen.

Abends fragte er: »Ziege, bist du satt?« Die Ziege antwortete: »Ich bin so satt, ich mag kein Blatt. Mäh, mäh!« Als sie aber der alte Schneider abends fragte, ob sie satt sei, sagte sie: »Wovon soll ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein!«

Da jagte der Schneider seinen ältesten Sohn aus dem Haus. Den beiden anderen Söhnen spielte die bösartige Ziege den gleichen Streich, so dass sie der Vater ebenfalls davonjagte. Nun musste er selbst mit der Ziege auf die Weide gehen und durchschaute bald ihre Hinterlist. Zwar jagte er sie nun ebenfalls aus dem Hause, aber davon kamen seine Söhne nicht zurück.

Der älteste Sohn ging zu einem Schreiner in die Lehre. Weil er fleissig war, schenkte ihm der Meister zum Abschied ein Tischlein. Das war kein gewöhnliches Tischlein, sondern ein ’Tischlein-deck-dich’. Mit diesem Tischlein wollte der älteste Sohn nun heimwärts ziehen, denn er hoffte, der Zorn seines Vaters würde sich inzwischen gelegt haben.

Auf dem Heimweg kam er in eine Herberge, die voll Gäste war. Da die Vorräte des Wirtes aufgebraucht waren, stellte er sein Tischlein auf und sagte: »Tischlein, deck dich!« Und alsbald deckte sich das Tischlein mit den herrlichsten Speisen.

Der Wirt wollte das Tischlein für sich haben und vertauschte es nachts gegen ein anderes, das genauso aussah. Als der älteste Sohn nach Hause kam, fiel ihm sein Vater vor Freude um den Hals. »Lade alle Verwandten ein«, sagte der Sohn, »wir wollen ein grosses Fest feiern.« Als die Stube voll war, stellte er sein Tischlein in die Mitte und sagte: »Tischlein, deck dich!« Aber nichts geschah. Enttäuscht und schimpfend zogen die Gäste wieder ab. Der älteste Sohn war sehr beschämt und wusste sich keinen Rat.

Der zweite Sohn war bei einem Müller in die Lehre gegangen. Auch er hatte sehr fleissig gelernt und bekam von seinem Meister zum Abschied einen Esel. Das war ein ganz besonderer Esel. Wenn man ihn auf ein Tuch stellte und ’bricklebrit’ sagte, dann spuckte er Goldstücke.

Der zweite Sohn stieg in derselben Herberge ab wie sein älterer Bruder vor ihm. Weil er kein Geld hatte, um die Übernachtung und sein Abendessen zu bezahlen, ging er in den Stall, schloss die Tür hinter sich gut zu und legte seinem Eselchen ein Tuch unter. Dann sagte er: »bricklebrit!« und liess sein Eselchen ein paar Goldtaler spucken.

Der Wirt hatte sich gewundert, warum sein Gast die Stalltür hinter sich abschloss, und schaute deshalb neugierig durchs Schlüsselloch. Ei, was er da sah, gefiel ihm sehr! Das Eselchen würde wunderbar zu dem Tischlein passen, das er schon hatte! Und in der Nacht, als der zweite Sohn schlief, vertauschte er das Goldeselchen gegen ein anderes, das genauso aussah. Am nächsten Morgen zog der zweite Sohn mit seinem Eselchen weiter. Als er nach Hause kam, empfing auch ihn der Vater mit grosser Freude.

»Lade alle Verwandten ein«, sagte der zweite Sohn, »ich mache sie alle zu reichen Leuten!« Der alte Vater war misstrauisch, denn er erinnerte sich an die missglückte Einladung, als sein ältester Sohn nach Hause kam. Aber dann liess er sich doch überzeugen und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, breitete der zweite Sohn ein Tuch aus und brachte den Esel in die Stube. »Jetzt gebt acht!« sagte er und rief: »bricklebrit!« Aber was herabfiel, waren keine Goldstücke. Da mussten die Verwandten so arm nach Hause gehen, wie sie gekommen waren.

Der dritte Sohn war bei einem Drechsler in die Lehre gegangen. Seine Brüder hatten ihm in einem Brief mitgeteilt, wie schlimm es ihnen bei dem Wirt in der Herberge ergangen war. Als nun des dritten Sohnes Lehrzeit zu Ende war, schenkte ihm der Drechslermeister einen ’Knüppel-im-Sack’. Damit machte sich der Jüngste auf, um in die beschriebene Herberge zu kommen.

Dort prahlte er laut, welch wertvolles Ding doch der Sack sei, den er da bei sich habe. Der Wirt spitzte die Ohren. »Was in aller Welt mag das sein?« dachte er. »Der Sack ist wohl mit lauter Edelsteinen gefüllt. Den sollte ich auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei.« Als Schlafenszeit war, legte sich der Gast auf die Ofenbank und schob sich den Sack als Kopfkissen unter.

Als der Wirt meinte, der Gast liege in festem Schlaf, versuchte er, den Sack unter dessen Kopf hervorzuziehen. Darauf hatte der junge Drechsler nur gewartet! Schnell rief er: »Knüppel aus dem Sack!« Da fuhr der Knüppel hervor und verdrosch den Wirt, dass es eine Art hatte. Und so sehr der Wirt auch jammerte, der dritte Sohn rief sein Knüppelchen nicht eher zurück, bis der Wirt ihm das Goldeselchen und das Tischlein-deck-dich herausgegeben hatte.

Der Drechsler zog am nächsten Morgen mit dem Tischlein-deck-dich, dem Goldeselchen und dem Knüppel-im-Sack heim zu seinem Vater. Der Vater freute sich, als er ihn wiedersah. »Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?« fragte er. »Einen Knüppel-im-Sack«, sagte der jüngste Sohn. »Mit ihm habe ich das Tischlein-deck-dich und den Goldesel wieder herbeigeschafft, die der diebische Wirt meinen Brüdern abgenommen hatte. Ruft meine Brüder und ladet alle Verwandten ein, ich will ihnen zu essen und zu trinken geben und ihnen die Taschen mit Gold füllen.«

Der alte Schneider wollte der Sache nicht recht trauen, brachte aber doch die Verwandtschaft zusammen. Diesmal blieb die ganze Gesellschaft zusammen bis tief in die Nacht, und alle waren lustig und vergnügt. Der Schneider aber lebte mit seinen drei Söhnen in Freude und Herrlichkeit.



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