Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Rotkäppchen

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer


andere Version der Geschichte

Es war einmal ein kleines Mädchen, das war so freundlich und nett, dass alle Leute es gern hatten. Am allerliebsten hatte es die Grossmutter, die wusste gar nicht, was sie dem Kinde alles schenken sollte.

Einmal nähte sie ihm ein Käppchen aus rotem Samt, und weil es darin so hübsch aussah und es nichts anderes mehr tragen wollte, hiess es nur noch das ’Rotkäppchen’.

Eines Tages sprach die Mutter zu ihm: »Komm, Rotkäppchen, hier hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Grossmutter hinaus. Sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiss wird, und wenn du in den Wald kommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiss nicht, 'guten Morgen' zu sagen.« »Ich will schon alles gut machen«, versprach Rotkäppchen der Mutter.

Die Grossmutter aber wohnte draussen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf entfernt. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wusste nicht, was für ein böses Tier das war und fürchtete sich nicht vor ihm.

»Guten Tag, Rotkäppchen«, sprach er. »Wo hinaus so früh?«
»Zur Grossmutter«, antwortete Rotkäppchen.
»Was trägst du da in dem Korb?«
»Kuchen und Wein. Gestern haben wir gebacken, da soll sich die Grossmutter stärken.«
»Rotkäppchen, wo wohnt deine Grossmutter?«
»Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei grossen Eichbäumen, da steht ihr Haus. Unten sind die Nusshecken, das wirst du ja wissen«, sagte Rotkäppchen.

Der Wolf dachte bei sich: »Das junge, zarte Ding, das ist ein feiner Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte. Du musst es listig anfangen, damit du sie beide erwischst.« 

Er ging ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er: »Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die ringsumher stehen! Warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? Du läufst ja dahin, als wenn du zur Schule gingst.«

Rotkäppchen schlug die Augen auf. Als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: »Wenn ich der Grossmutter einen Blumenstrauss mitbringe, wird sie sich sicher freuen. Es ist so früh am Tag, dass ich immer noch rechtzeitig komme.« Und so lief es vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gepflückt hatte, meinte es, weiter hinten stände eine noch schönere, und so geriet es immer tiefer in den Wald hinein.

Der Wolf aber ging geradewegs zum Haus der Grossmutter und klopfte an die Tür. »Wer ist draussen?« fragte die Grossmutter. »Rotkäppchen«, antwortete der Wolf, »mit Wein und Kuchen. Mach auf!« »Drück nur auf die Klinke«, rief die Grossmutter. »Ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.«

Der Wolf drückte auf die Klinke, die Tür sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, zum Bett der Grossmutter und verschluckte sie. Dann zog er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf und legte sich in ihr Bett.

Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viele zusammen hatte, dass es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Grossmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg. Es wunderte sich, dass die Tür offen stand, und als es die Stube betrat, dachte es:
»Wie ängstlich ist mir heut’ zumute, wo ich doch sonst so gern bei der Grossmutter bin.«

»Guten Morgen!« rief es, bekam aber keine Antwort. Darauf ging es zum Bett. Da lag die Grossmutter, hatte die Haube tief ins Gesicht gezogen und sah sehr wunderlich aus.

»Ei, Grossmutter!« rief es, »was hast du für grosse Ohren? «
»Dass ich dich besser hören kann!«
»Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Augen?«
»Dass ich dich besser sehen kann!«
»Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Hände?«
»Dass ich dich besser packen kann!«
»Aber Grossmutter, was hast du für ein entsetzlich grosses Maul?«
»Dass ich dich besser fressen kann!«

Und damit sprang der Wolf aus dem Bett und verschlang auch das arme Rotkäppchen. Dann legte er sich wieder ins Bett, schlief gleich ein und fing laut zu schnarchen an. 

Nach einer Weile kam der Jäger am Haus der Grossmutter vorbei und dachte: »Die alte Frau schnarcht doch sonst nicht so! Ich werde einmal nachsehen, ob ihr etwas fehlt.« Er trat in die Stube, und wie er an das Bett kam, sah er, dass der Wolf darin lag und so laut schnarchte. »Hier finde ich dich also, alter Sünder«, murmelte er. »Dich habe ich lange genug gesucht.«

Gerade als er sein Gewehr anlegte, fiel ihm ein, dass der Wolf ja die Grossmutter gefressen haben könnte und dass sie vielleicht noch zu retten wäre. Also stellte er das Gewehr wieder beiseite und suchte nach einer Schere. Mit der schnitt er dem schlafenden Wolf den Bauch auf.

Schon nach ein paar Schnitten sah er ein rotes Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Rotkäppchen heraus und rief: »Ach, wie war ich erschrocken! Wie war es so finster im Bauch des Wolfes!«
Und dann kam die alte Grossmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen. Rotkäppchen sprang geschwind vors Haus und sammelte grosse Steine.

Damit füllten sie dem Wolf den Leib und nähten das Fell wieder zu. Als der Wolf aufwachte und den Jäger sah, wollte er schnell davonspringen. Aber die Steine waren so schwer, dass er niedersank und tot umfiel.

Da waren alle drei vergnügt. Der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab, denn den wollte er sich als Erinnerung aufheben. Rotkäppchen aber deckte schnell den Tisch, stellte Wein und Kuchen darauf und ermunterte den Jäger und die schwache Grossmutter, herzhaft zuzugreifen.

Und siehe da, mit jedem Bissen wurde die Grossmutter kräftiger, und als sie ein Glas Wein getrunken hatte, bekam sie sogar rosige Wangen! Nach dem zweiten Glas wurde der Jäger lustig und forderte die Grossmutter zum Tanzen auf.

Das Rotkäppchen aber brauchte keinen Wein, um lustig zu werden. Es war glücklich, dass es der Grossmutter wieder so gut ging und dass der böse Wolf nun tot war.

Und da nun alles noch einmal so gut gegangen war, dachte es: 
»Ich will nie wieder alleine vom Wege abgehen und in den Wald hineinlaufen, wenn es die Mutter verboten hat!«



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