Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Schilda 06: Der versalzene Gemeindeacker

Art: Schwank
AutorIn: unbekannt
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Eines schönen Tages wurde in Schilda das Salz knapp. Die Händler, die durchs Land zogen, hatten keines zu verkaufen, weil überall Krieg war. Man müsse warten, bis der Krieg vorüber sei.

Das missfiel den Schildbürgern. Denn Butterbrot ohne Salz, Kartoffeln ohne Salz und Suppen ohne Salz schmeckten ihnen und ihren Kindern ganz und gar nicht. Deshalb beratschlagten sie, was geschehen solle. Es fiel ihnen auch gleich etwas Pfiffiges ein. Da der Zucker auf Feldern wachse, meinte einer, sei es wohl mit dem Salz nicht anders. Man brauche deshalb auf dem Gemeindeacker, der noch brachliege, nur Salz auszusäen — alles andere werde sich dann schon finden.

So geschah’s. Sie streuten die Hälfte ihres Salzvorrats auf den Acker. Dann stellten sie Wachtposten mit langen Blasrohren an den Rändern des Feldes auf, für den Fall, dass die Vögel das Salz stehlen wollten. Und dann warteten sie ab. Schon nach ein paar Wochen grünte der Acker, dass es eine Lust war.

Das Salzkraut schoss nur so in die Höhe. Die Feldhüter sassen mit ihren Blasrohren auf der Lauer. Aber die Vögel blieben zum Glück aus. Und die Schildbürger rechneten schon nach, wie viel Salz sie ernten würden. Hundert Säcke, meinten sie, könnten sie vermutlich sogar an andere Dörfer verkaufen. Doch da kamen die Kühe und Ziegen aus dem Nachbardorf!

Die Kühe und Ziegen kamen also und trampelten in dem herrlich wachsenden Salzkraut herum. Die Feldhüter schossen mit ihren Blasrohren, was das Zeug hielt. Doch das Vieh machte sich nichts daraus. Die Schildbürger wussten sich wieder einmal keinen Rat.

Der Hufschmied riss von einem Haselstrauch eine Rute weg und wollte aufs Feld rennen, um die Tiere zu verjagen. »Bist du toll?« schrie der Bäcker. »Willst auch du noch unser Kraut niedertrampeln?« Und sie stürzten sich auf den Schmied und hielten ihn fest.

Da rief er: »Wie sonst soll ich denn das Vieh vertreiben, wenn ich nicht ins Feld laufen darf ?« »Ich weiss einen Ausweg«, sagte der Schulmeister. »Du setzt dich auf ein Brett. Vier von uns heben dich mit dem Brett hoch. Und dann tragen sie dich ins Feld. Auf diese Weise wirst du kein einziges Hälmchen zertreten.« Alle waren von dem Vorschlag begeistert. Zu viert trug man den Schmied mit seiner Rute über den Acker, und er verjagte vom Brett aus das fremde Vieh, ohne dem Salzkraut auch nur ein Haar zu krümmen!

Eine Woche später gerieten ein paar Kinder, obwohl es ihnen streng verboten worden war, beim Spielen ins Salzkraut hinein. Sie waren barfuss und sprangen, kaum dass sie drin waren, schreiend wieder heraus und rannten wie der Wind nach Hause. »Es beisst schon!« riefen sie aufgeregt und zeigten den Eltern ihre Füsse und Waden. Überall hatten sie rote Flecken, und es brannte fürchterlich. »Das Salz ist reif!« rief der Schweinehirt. »Auf zur Ernte!«

Die Schildbürger liessen ihre Arbeit stehen und liegen, spannten die Pferde und Ochsen vor die Erntewagen und fuhren, mit Sicheln, Sensen und Dreschflegeln, zum Gemeindeacker. Das Salzkraut biss ihnen in die Beine, und sie hüpften wie die Lämmer herum. Es zerkratzte ihnen die nackten Arme. Sie bekamen rotgeschwollene Hände. Tränen traten ihnen in die Augen und rollten ihnen über die Backen. Und es dauerte gar nicht lange, so warfen sie die Sensen und Sicheln weg, sprangen weinend aus dem Acker, fuchtelten mit den brennenden Armen, Händen und Beinen im Wind und fuhren in die Stadt zurück.

»Nun?« fragten ihre Frauen. »Habt ihr das Salz schon abgeerntet?« Die Männer steckten die Hände und Füsse ins kalte Wasser und sagten: »Nein. Es hat keinen Zweck. Das Salz ist uns zu salzig!«

Du weisst natürlich längst, was da auf dem Felde gewachsen war und was so beissen konnte. Es waren Brennnesseln! Du weisst es, und ich weiss es. Wir sind ja auch viel gescheiter, als es die Schildbürger waren.



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