Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

...zurück zur Übersicht

Text-Erklärungen sind anaus
alle Erklärungen anzeigenFragen zur Geschichte beantwortenGeschichte hören und mitlesenGeschichte und Fragen als PDF downloaden

Der alte Sultan

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Ein Bauer hatte einen treuen Hund, der Sultan hiess. Er war alt geworden und hatte alle Zähne verloren, so dass er nichts mehr fest packen konnte. Eines Tages stand der Bauer mit seiner Frau vor der Haustüre und sprach: »Den alten Sultan schiess ich morgen tot, der ist zu nichts mehr nütze.«

Die Frau, die Mitleid mit dem treuen Tiere hatte, antwortete: »Da er uns so lange Jahre gedient hat, könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.« »Ei was«, sagte der Mann, »du bist nicht recht gescheit. Er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.«

Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört und war traurig, dass morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf. Er schlich am Abend hinaus in den Wald und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände.

»Höre, Sultan«, sagte der Wolf, »sei guten Mutes, ich will dir aus deiner Not helfen! Ich habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein Herr mit seiner Frau ins Heu. Sie nehmen ihr kleines Kind mit und legen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten. Lege dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Ich will dann aus dem Walde herauskommen und das Kind rauben. Du musst mir eifrig nachspringen, als wolltest du mir es wieder abjagen. Ich lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück. Die glauben dann, du hättest es gerettet. Und sie sind viel zu dankbar, als dass sie dir ein Leid antun würden. Im Gegenteil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.«

Der Vorschlag gefiel dem Hund. Und wie er ausgedacht war, so wurde er auch ausgeführt.

Der Vater schrie, als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah. Als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn und sagte: »Dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, solange du lebst.« Zu seiner Frau aber sprach er: »Geh gleich heim und koche dem alten Sultan einen Brei, den braucht er nicht zu beissen. Und bring das alte Kopfkissen aus meinem Bett, das schenk ich ihm zu seinem Lager.«

Von nun an hatte es der alte Sultan so gut, wie er sich’s nur wünschen konnte. Bald danach besuchte ihn der Wolf und freute sich, dass alles so gut gelungen war.

»Aber Sultan« sagte er, »du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer, sich durchzuschlagen.«

»Darauf rechne nicht«, antwortete der Hund, »meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zulassen!«
Der Wolf meinte, das wäre nicht im Ernste gesprochen, kam in der Nacht herangeschlichen und wollte sich das Schaf holen. Aber der Bauer, dem der treue Sultan das Vorhaben des Wolfes verraten hatte, passte ihm auf und schlug mit dem Dreschflegel auf ihn ein. Der Wolf musste ausreissen, schrie aber dem Hund zu: »Wart, du schlechter Geselle, dafür sollst du büssen!«

Am andern Morgen schickte der Wolf das Schwein. Es solle den Hund hinaus in den Wald fordern. Da wollten sie ihren Streit ausmachen. Der alte Sultan konnte nur eine Katze als Beistand finden. Diese Katze hatte nur drei Beine. Als sie zusammen hinausgingen, humpelte die arme Katze daher und streckte zugleich vor Schmerz den Schwanz in die Höhe.

Der Wolf und sein Beistand waren schon an Ort und Stelle. Als sie aber ihren Gegner daherkommen sahen, meinten sie, er führe einen Säbel mit sich, weil sie den aufgerichteten Schwanz der Katze dafür ansahen. Und wenn das arme Tier so auf drei Beinen hüpfte, dachten sie nichts anders, als höbe es jedes Mal einen Stein auf und wollte damit auf sie werfen.

Da bekamen beide Angst. Das wilde Schwein verkroch sich ins Laub. Und der Wolf sprang auf einen Baum. Der Hund und die Katze wunderten sich, als sie herankamen, weil sich niemand sehen liess.

Das wilde Schwein aber hatte sich im Laub nicht ganz verstecken können, sondern die Ohren ragten noch heraus. Während die Katze sich bedächtig umschaute, bewegte das Schwein die Ohren. Die Katze meinte, es rege sich da eine Maus. Sie sprang darauf zu und biss herzhaft hinein. Da erhob sich das Schwein mit grossem Geschrei und lief fort und rief: »Dort auf dem Baum, da sitzt der Schuldige.«

Der Hund und die Katze schauten hinauf und erblickten den Wolf. Der schämte sich, dass er sich so furchtsam gezeigt hatte. Jetzt nahm er vom Hund den Frieden an.
 



...nach oben