Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Simeli-Berg

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Es waren zwei Brüder. Einer war reich, der andere arm. Der Reiche aber gab dem Armen nichts. Er musste sich vom Kornhandel kümmerlich ernähren. Da ging es ihm oft so schlecht, dass er für seine Frau und Kinder kein Brot hatte.

Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald. Da erblickte er einen grossen, kahlen Berg. Und weil er den noch nie gesehen hatte, hielt er still und betrachtete ihn mit Verwunderung. Wie er so stand, sah er zwölf wilde, grosse Männer daherkommen. Weil er nun glaubte, das wären Räuber, schob er seinen Karren ins Gebüsch. Dann stieg er auf einen Baum und wartete, was da geschehen würde.

Die zwölf Männer gingen aber vor den Berg und riefen: »Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf.« Alsbald tat sich der kahle Berg in der Mitte voneinander, und die Zwölfe gingen hinein. Als sie drin waren, schloss er sich zu.

Nach einer kleinen Weile aber tat er sich wieder auf. Die Männer kamen heraus und trugen schwere Säcke auf den Rücken. Als sie alle wieder am Tageslicht waren, sprachen sie: »Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich zu.« Da fuhr der Berg zusammen. Es war kein Eingang mehr an ihm zu sehen. Und die Zwölfe gingen fort.

Als sie ihm nun ganz aus den Augen waren, stieg der Arme vom Baum herunter. Er war neugierig, was wohl im Berg Heimliches verborgen wäre. Also ging er davor und sprach: »Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf«. Und der Berg tat sich auch vor ihm auf. Da trat er hinein.

Der ganze Berg war eine Höhle voll Silber und Gold. Hinten lagen grosse Haufen Perlen und blitzende Edelsteine aufgeschüttet. Der Arme wusste gar nicht, was er anfangen sollte und ob er sich etwas von den Schätzen nehmen sollte.

Endlich füllte er sich die Taschen mit Gold, die Perlen und Edelsteine aber liess er liegen. Als er wieder herauskam, sprach er gleichfalls: »Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich zu«. Da schloss sich der Berg, und er fuhr mit seinem Karren nach Hause.

Nun brauchte er sich nicht mehr zu sorgen und konnte mit seinem Gold für Frau und Kinder Brot und auch Wein dazu kaufen. Sie lebten fröhlich und redlich, gaben den Armen einen Teil und taten jedermann Gutes. Als aber das Geld zu Ende war, ging er zu seinem Bruder. Er lieh sich einen Scheffel und holte sich von neuem Gold im Berg. Doch rührte er von den grossen Schätzen nichts an. Als er sich zum drittenmal Gold holen wollte, borgte er bei seinem Bruder abermals den Scheffel.

Der Reiche aber war schon lange neidisch auf seinen Bruder. Er konnte nicht begreifen, woher dieser plötzlich so viel Vermögen und Reichtum hatte. Er wunderte sich auch, was sein Bruder wohl mit dem Scheffel anstellen würde. Da dachte er eine List aus und bestrich den Boden des Scheffels mit Pech. Als er das Mass zurückbekam, so war ein Goldstück daran hängengeblieben. Schnell ging er zu seinem Bruder und fragte ihn: »Was hast du mit dem Scheffel gemessen?«

»Korn und Gerste«, sagte der andere. Da zeigte er ihm das Goldstück. Er drohte, ihn bei Gericht zu verklagen, wenn er nicht die Wahrheit sage. Da erzählte der andere ihm alles, wie es zugegangen war. Der Reiche liess gleich einen Wagen anspannen. Er fuhr hinaus und wollte die Gelegenheit besser nutzen und viel grössere Schätze mitbringen.

Als er vor den Berg kam, rief er: »Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf.« Der Berg tat sich auf, und er ging hinein. Da lagen die Reichtümer alle vor ihm. Er lud Edelsteine auf, soviel er nur tragen konnte.

Er wollte jetzt seine Last hinausbringen. Weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schätzen waren, hatte er darüber den Namen des Berges vergessen und er rief: »Berg Simeli, Berg Simeli, tu dich auf.«

Aber das war nicht der rechte Name.  Der Berg regte sich nicht und blieb verschlossen. Da wurde ihm angst. Aber je länger er nachsann, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken. Und alle Schätze halfen ihm nichts mehr.

Am Abend tat sich der Berg auf, und die zwölf Räuber kamen herein. Als sie ihn sahen, lachten sie und riefen: »Vogel, haben wir dich endlich! Meinst du, wir hätten’s nicht gemerkt, dass du zweimal hereingekommen bist. Aber wir konnten dich nicht fangen. Zum dritten Mal sollst du nicht wieder hinaus.« Da rief er: »Ich war’s nicht, mein Bruder war’s«. Aber er mochte bitten und um sein Leben flehen: Es half alles nichts.
 



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