Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

...zurück zur Übersicht

Text-Erklärungen sind anaus
alle Erklärungen anzeigenFragen zur Geschichte beantwortenGeschichte hören und mitlesenGeschichte und Fragen als PDF downloaden

Strohhalm, Kohle und Bohne

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau. Sie hatte Bohnen gesammelt und wollte sie kochen. Sie machte also auf ihrem Herd ein Feuer zurecht. Damit es schneller brennen sollte, zündete sie es mit einer Handvoll Stroh an. Als sie die Bohnen in den Topf schüttete, entfiel ihr unbemerkt eine. Sie lag jetzt auf dem Boden neben einem Strohhalm. Bald danach sprang auch eine glühende Kohle vom Herd zu den beiden herab.

Da fing der Strohhalm an und sprach: »Liebe Freunde, woher kommt ihr?« Die Kohle antwortete: »Ich bin zum guten Glück dem Feuer entsprungen. Hätte ich das nicht mit Gewalt durchgesetzt, so wäre mir der Tod sicher gewesen. Ich wäre zu Asche verbrannt.«

Die Bohne sagte: »Ich bin auch noch mit heiler Haut davon gekommen. Wenn mich die Alte in den Topf geworfen hätte, wäre ich ohne Barmherzigkeit zu Brei gekocht worden wie meine Kameraden.«

»Wäre mir denn ein besseres Schicksal zuteil geworden?« sprach der Strohhalm. »Alle meine Brüder hat die Alte in Feuer und Rauch aufgehen lassen, sechzig hat sie auf einmal gepackt und ums Leben gebracht. Glücklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlüpft.«

»Was sollen wir aber nun anfangen?« sprach die Kohle. »Ich meine,« antwortete die Bohne, »weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir als gute Gesellen zusammenhalten. Und damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt, wollen wir gemeinschaftlich auswandern und in ein fremdes Land ziehen.«

Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach. Weil da keine Brücke oder kein Steg war, so wussten sie nicht, wie sie hinüberkommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rat und sprach: »Ich will mich querüber legen, so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinübergehen.«

Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke. Als sie aber in die Mitte gekommen war und unter sich das Wasser rauschen hörte, bekam sie doch Angst. Sie blieb stehen und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fing an zu brennen, zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach. Die Kohle rutschte nach, zischte, wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf.

Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zurückgeblieben war, musste über die Geschichte lachen, konnte nicht aufhören und lachte so gewaltig, dass sie zerplatzte.

Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zum guten Glück ein Schneider, der auf der Wanderschaft war, sich an dem Bach ausgeruht hätte. Weil er ein mitleidiges Herz hatte, holte er Nadel und Zwirn heraus und nähte die Bohne wieder zusammen. Die Bohne bedankte sich bei ihm aufs Schönste. Aber weil er einen schwarzen Faden gebraucht hatte, so haben seit der Zeit alle Bohnen eine schwarze Naht.
 



...nach oben