Ein Bauer ging eines Morgens in aller Frühe aufs Feld zur Arbeit. Die Sonne stieg auf, und es wurde immer heisser. Da zog er seine Jacke aus und legte sie neben sich auf die Erde. Als die Glocke elf schlug, wollte er sie wieder anziehen, um nach Hause zu gehen. Da sah er zu seinem Schrecken, dass eine Schlange darauf lag. Er schüttelte die Jacke. Doch die Schlange war nicht wegzubringen, sie war wie angezaubert.

Schon wollte der Bauer einen derben Fluch ausstossen. Da sprach die Schlange: »Ich weiche nicht von deiner Jacke und von dir, bis du mir versprochen hast, mich zu heiraten.« Das schien dem Bauern doch bedenklich, und er sprach: »Das Heiraten ist eine wichtige Sache, welche man nicht so ohne weiteres abmacht. Ich muss darüber nachdenken und will dir dann Antwort geben.«

Er ging ins Dorf zum Pfarrer. Er fragte ihn, was er in der Sache zu tun habe. Der Pfarrer besann sich lange, las in einem grossen Buche und sprach: »Gehe zurück und versprich der Schlange, sie zu heiraten. Sie wird dann heute Nacht zu dir kommen. Und wenn du Mut hast, so ist dein Glück gemacht. Du musst sie mit dem Schlage Zwölf mit beiden Händen fassen und über deinem Kopf in die Höhe halten. Du darfst sie aber nicht loslassen, komme, was da wolle.«

Rasch kehrte der Bauer aufs Feld zurück und sprach zur Schlange: »Ich will dich heiraten.« Da war sie ganz ausser sich vor Freude und zappelte lustig. Dann machte sie einen schönen Ring und war verschwunden.

Kaum hatte sich der Bauer abends zu Bett gelegt, da kam die Schlange in die Kammer und legte sich zu ihm. Er lag ganz ruhig bis zwölf Uhr. Da packte er sie fest und hielt sie hoch über seinem Kopf. Und sogleich flog die Tür auf. Sechs grosse, dicke Schlangen schnellten herein und auf das Bett zu. Da wurde es dem Bauer warm und kalt. Aber er fasste sich ein Herz und hielt aus, auch als die Schlangen sich am Bett heraufringelten und ihn mit ihren doppelten Zungen umzischten, als wollten sie all ihr Gift auf ihn speien.

Das dauerte bis es eins schlug, da waren sie plötzlich verschwunden. Die Schlange aber sprach: »Ich danke dir, mein Erlöser, dass du mich so treulich beschützt hast. Halte nur noch zwei Nächte lang aus, dann bist du glücklich und ich noch mehr.« Damit verschwand sie, und es war keine Spur mehr von ihr zu sehen.

Als der Bauer am folgenden Abend zu Bette ging, war die Schlange wieder bei ihm. Um zwölf Uhr fasste er sie wieder und hielt sie empor. Da flog die Türe auf und zwölf dicke, schwarze Schlangen wanden sich herein, krochen auf sein Bett und ringelten sich um ihn, bissen nach ihm und seiner Schlange. Obwohl er diesmal mehr Mut hatte, wurde ihm doch fast schlecht, als er das kalte Gewürm an sich fühlte. Aber er nahm sich doch zusammen, so gut er konnte und hielt aus, bis die Glocke eins schlug.

Da waren die Schlangen wie weggeblasen. Seine Schlange aber sprach: »Ich danke dir, mein Erlöser, dass du so treulich ausgehalten hast. Jetzt ist nur noch eine Nacht übrig, dann bin ich erlöst und du bist glücklich auf Lebenszeit.« Als sie das gesagt hatte, war sie verschwunden.

Abends lag sie wieder bei ihm und sah ihn so recht flehentlich an mit ihren klugen Augen. Da bekam er grossen Mut und sprach zu sich selbst: »Ehe ich sie dem garstigen Gezücht preisgebe, lasse ich mich lieber selbst von ihm fressen.«

Als es zwölf Uhr schlug, fasste er sie und hielt sie hoch empor. Da sprang die Tür auf und in einem Augenblick war die ganze Kammer voll von den hässlichsten Schlangen. Die zappelten und zischten und ringelten sich untereinander, dass es nicht zum Ansehen war. Der Bauer drückte die Augen zu und tat, als höre und sehe er nichts. Sie wanden sich ihm um Leib, Arme und Hals. Sie zischten ihm ins Gesicht und bissen nach seiner Schlange. Aber er hielt durch!

So dauerte es bis ein Uhr. Da hörte er einen schweren Knall im nahen Wald, und die Ungeheuer waren verschwunden. Auch die Schlange war ihm aus der Hand entschlüpft. Dafür aber lag eine wunderschöne Königstochter neben ihm in seinem harten Bett.

Sie sprach mit freundlichen Blicken: »Ich danke dir tausendmal, mein lieber und getreuer Erlöser, dass du mich gerettet hast. Nun wähle aus, willst du mein Gemahl werden oder hundert Wagen Gold haben?« 

Der Bauer rieb sich die Augen, denn er glaubte, das müsse ein Traum sein. Endlich sprach er: »Wenn ihr mich zum Gemahl haben wollt, allerschönste Prinzessin, dann möchte ich das lieber als alles Gold auf der ganzen Welt.«

Da bot sie ihm die Hand, und er umarmte und küsste sie. Am folgenden Morgen, als er die Fensterläden öffnete, da stand sein Häuschen in einem prächtigen Garten mit den schönsten Blumen und Bäumen. Nicht weit davon lag ein Königsschloss und eine grosse Stadt. Er wusste nicht, wo er stand und ob er wiederum seinen Augen trauen könne. Da sprach die Prinzessin: »Was du da siehst, ist alles dein, dein Schloss, dein Garten und dein Königreich.« Und sie führte ihn in das Schloss. Und beide wohnten darin und waren glücklich auf Lebenszeit.