Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Hans im Glück

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient. Da sprach er zu ihm: »Herr, meine Zeit ist herum, nun möchte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn.« Der Herr antwortete: »Du hast mir treu und ehrlich gedient. Wie der Dienst war, so soll auch der Lohn sein!« Und er gab ihm ein Stück Gold, das so gross war wie Hansens Kopf. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche und wickelte den Klumpen hinein. Dann setzte er ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus.

Wie er so dahin ging und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ein Reiter vorbei, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd vorbeitrabte. »Ach,« sprach Hans ganz laut, »was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stösst sich an keinem Stein, spart die Schuhe, und kommt fort, er weiss nicht wie.«

Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief: »Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuss?« »Ich muss ja wohl,« antwortete er, »da habe ich einen Klumpen heim zu tragen. Es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht grade halten und mir drückt es auf die Schulter.« »Weisst du was,« sagte der Reiter, »wir wollen tauschen: ich gebe dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.« »Von Herzen gern,« sprach Hans, »aber ich sage euch, ihr müsst euch damit schleppen.«

Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf. Dann gab er ihm die Zügel in die Hände und sprach: »Wenn’s nun recht geschwind gehen soll, so musst du mit der Zunge schnalzen, und ’hopp hopp’ rufen.«

Hans war froh, als er auf dem Pferde sass und so dahinritt. Nach einem  Weilchen dachte er, es sollte noch schneller gehen. Er fing an, mit der Zunge zu schnalzen und ’hopp hopp’ zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe sich’s Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstrasse trennte. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte.

Der Bauer trieb eine Kuh vor sich her. Hans machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdriesslich und sprach zum Bauer: »Es ist ein schlechter Spass, das Reiten, besonders wenn man auf so eine Mähre gerät wie diese. Die wirft einen herab, dass man den Hals brechen kann. Ich setze mich nie mehr wieder auf. Da lob ich mir eure Kuh. Da kann einer mit Gemächlichkeit hinterhergehen und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiss. Was gäbe ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!«

»Nun,« sprach der Bauer, »geschieht euch so ein grosser Gefallen, so will ich euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.« Hans willigte mit tausend Freuden ein. Der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.

Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und dachte an den glücklichen Handel. »Wenn ich nur ein Stück Brot habe, kann ich so oft ich will Butter und Käse dazu essen. Wenn ich Durst habe, so melk ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?«

Als er zu einem grossen Wirtshaus kam, machte er Halt. Er ass mit der grossen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und sein Abendbrot. Für seine letzten paar Heller liess er sich ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze wurde drückender, je näher der Mittag kam. Da wurde es ihm ganz heiss, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. »Dem Ding ist zu helfen,« dachte Hans, »jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben.«

Er band die Kuh an einen dünnen Baum. Weil er keinen Eimer hatte, so legte er seine Ledermütze darunter. Aber wie er sich auch bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Tier endlich mit einem der Hinterfüsse einen solchen Schlag vor den Kopf, dass er zu Boden taumelte. Eine Zeitlang konnte er sich gar nicht besinnen, wo er war.

Glücklicherweise kam grade ein Metzger des Weges, der auf seinem Schubkarren ein junges Schwein hatte. »Was sind das für Streiche!« rief er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach: »Da trinkt einmal und erholt euch. Die Kuh will wohl keine Milch geben. Das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten.«

»Ei, ei,« sprach Hans, und strich sich die Haare über den Kopf, »wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein Tier schlachten kann. Was gibt es für gutes Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt anders, dabei noch die Würste.« »Hört, Hans,« sprach da der Metzger, »euch zu Liebe will ich tauschen und euch will ich das Schwein für die Kuh lassen.« »Gott lohn euch eure Freundschaft«, sprach Hans. Er gab ihm die Kuh und  liess sich das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick, woran es angebunden war, in die Hand geben.

Hans zog weiter. Er überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ginge. Es kam danach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weisse Gans unter dem Arm. Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Der Bursche erzählte ihm, dass er die Gans zu einem Kindstaufschmaus brächte. »Hebt einmal,« fuhr er fort, und packte sie bei den Flügeln, »wie schwer sie ist, die ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beisst, muss sich das Fett von beiden Seiten abwischen.« »Ja,« sprach Hans, und wog sie mit der einen Hand, »die hat ihr Gewicht!«

Der Bursche sah sich nach allen Seiten um und schüttelte auch den Kopf. »Hört,« fing er darauf an, »mit eurem Schweine mag’s nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Ich fürchte, ihr habt’s da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch mit dem Schwein erwischten. Das Geringste ist, dass ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.«

Der gute Hans bekam Angst. »Ach Gott,« sprach er, »helft mir aus der Not. Ihr wisst hier herum besser Bescheid. Nehmt mein Schwein da und lasst mir eure Gans.« »Ich muss schon etwas aufs Spiel setzen,« antwortete der Bursche, »aber ich will doch nicht Schuld sein, dass ihr ins Unglück geratet.« Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf dem Seitenweg fort.

Der gute Hans aber ging ohne Sorgen mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu. »Wenn ich’s recht überlege,« sprach er mit sich selbst, »habe ich noch Vorteil von diesem Tausch! Erstens den guten Braten, danach die Menge von Fett, die herausträufeln wird. Das gibt Gänsefettbrot für ein Vierteljahr. Und endlich die schönen, weissen Federn, die lass ich mir in mein Kopfkissen stopfen. Und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!«

Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scherenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu:
      »Ich schleife die Schere, und drehe geschwind,
      und hänge mir mein Mäntelchen nach dem Wind.«

Hans blieb stehen und sah ihm zu. Endlich redete er ihn an und sagte: »Euch geht es wohl, wenn ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.«

»Ja,« antwortete der Scherenschleifer, »das Handwerk hat einen goldenen Boden. Wenn ein rechter Schleifer in die Tasche greift, findet auch Geld darin. Aber wo habt ihr die schöne Gans gekauft?«

»Die hab ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht.«
»Und das Schwein?«
»Das hab ich für eine Kuh gekriegt.«
»Und die Kuh?«
»Die hab ich für ein Pferd bekommen.«
»Und das Pferd?«
»Für einen Klumpen Gold, so gross wie mein Kopf.«
»Und das Gold?«
»Ei, das war mein Lohn für die sieben Jahre Dienst.«
»Ihr habt euch jederzeit zu helfen gewusst,« sprach der Schleifer, »könnt ihr’s nun dahin bringen, dass ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn ihr aufsteht, so habt ihr euer Glück gemacht.«
»Wie soll ich das anfangen?« fragte Hans. »Ihr müsst ein Schleifer werden, wie ich. Dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab ich einen, der ist zwar ein wenig schadhaft, dafür sollt ihr mir aber auch weiter nichts als eure Gans geben. Wollt ihr das?« »Wie könnt ihr noch fragen,« antwortete Hans, »ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden. Habe ich Geld, so oft ich in die Tasche greife, was brauch ich mich da länger zu sorgen?« Er reichte ihm die Gans hin und nahm den Wetzstein in Empfang.

»Nun,« sprach der Schleifer, und hob einen gewöhnlichen schweren Feldstein, der neben ihm lag, auf, »da habt ihr noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sich’s gut schlagen lässt, und ihr eure alten Nägel grade klopfen könnt. Nehmt ihn und hebt ihn ordentlich auf.« Hans lud den Stein auf und ging mit vergnügtem Herzen weiter. Seine Augen leuchteten vor Freude. »Ich muss in einer Glückshaut geboren sein,« rief er aus, »alles was ich wünsche, trifft mir ein, wie einem Sonntagskind.«

Unterdessen begann er müde zu werden und er hatte auch Hunger. Er hatte aber allen Vorrat auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt. Er konnte nur mit Mühe weiter gehen und musste jeden Augenblick Halt machen. Dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich.

Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie grade jetzt nicht tragen müsste. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen. Da wollte er ausruhen und sich mit einem frischen Trunk laben. Damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie vorsichtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken. Da stiess er gegen die Steine, und sie fielen in den Brunnen.

Als Hans sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang er vor Freude auf, kniete nieder und dankte Gott mit Tränen in den Augen, dass er ihn von den schweren Steinen befreit hätte. »So glücklich wie ich,« rief er aus, »gibt es keinen Menschen unter der Sonne.« Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.



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