Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Der Froschkönig

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König. Seine Töchter waren alle schön. Aber die Jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, so oft sie ihr ins Gesicht schien.

Nahe bei dem Schloss des Königs lag ein grosser, dunkler Wald. Im Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen. Wenn nun der Tag recht heiss war, ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens. Und wenn es Langeweile hatte, so nahm es eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder auf. Das war ihr liebstes Spielzeug.

Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihre Hände zurückfiel, die sie in die Höhe gehalten hatte, sondern auf die Erde schlug und gradewegs ins Wasser hineinrollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand. Der Brunnen war aber sehr tief. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu:
»Was hast du, Königstochter? Du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte.« Sie sah sich um, woher die Stimme käme. Da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken, hässlichen Kopf aus dem Wasser streckte.

»Ach, du bist’s, alter Wasserpanscher«, sagte sie, »ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinabgefallen ist.« »Sei still und weine nicht«, antwortete der Frosch, »ich kann dir wohl helfen. Aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielzeug wieder heraufhole?« »Was du willst, lieber Frosch«, sagte sie, »meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.«

Der Frosch antwortete: »Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und die goldene Krone, die mag ich nicht. Aber wenn du mich lieb haben willst und ich dein Freund und Spielkamerad sein darf, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken und in deinem Bettlein schlafen darf — wenn du mir das versprichst, so will ich hinuntersteigen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.«

»Ach ja«, sagte sie, »ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wiederbringst.« Sie dachte aber: Was der einfältige Frosch schwatzt, der sitzt im Wasser bei seinesgleichen und quakt. Der kann keines Menschen Freund sein.

Als der Frosch die Zusage erhalten hatte, tauchte er seinen Kopf unter. Er sank hinab und kam nach einer Weile wieder heraufgerudert. Im Maul hatte er die Kugel und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielzeug wieder erblickte. Sie hob es auf und sprang damit fort.

»Warte, warte!« rief der Frosch. »Nimm mich mit, ich kann nicht so schnell laufen wie du!« Sie hörte aber nicht darauf, eilte nach Hause und hatte den armen Frosch bald vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinabsteigen musste.

Am anderen Tage sass sie mit der königlichen Familie am Tisch und ass von ihrem goldenen Tellerlein. Da kam, plitsch, platsch, etwas die Marmortreppe heraufgehüpft. Und als es oben angelangt war, klopfte es an die Tür und rief: »Königstochter, jüngste, mach mir auf!«

Sie lief und wollte sehen, wer draussen wäre. Als sie aber aufmachte, da sass der Frosch davor. Da warf sie die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und sie bekam Angst. Der König sah wohl, dass ihr das Herz gewaltig klopfte. Er sprach: »Mein Kind, was fürchtest du dich? Steht etwa ein Riese vor der Tür und will dich holen?« »Ach, nein«, antwortete sie, »es ist kein Riese, sondern ein hässlicher Frosch.«

»Was will der Frosch von dir?« »Ach, lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen sass und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt. Und weil er es verlangte, so versprach ich ihm, er solle mein Freund werden. Ich dachte aber nicht, dass er aus seinem Wasser herauskönnte. Nun ist er draussen und will zu mir herein.«

Da klopfte es zum zweiten Mal und rief: »Königstochter, jüngste, mach mir auf! Weisst du nicht, was du gestern zu mir gesagt hast beim kühlen Brunnenwasser? Königstochter, jüngste, mach mir auf!«

Da sagte der König: »Was du versprochen hast, das musst du auch halten. Geh nur und mach ihm auf.« Sie ging und öffnete die Tür. Da hüpfte der Frosch herein. Er folgte ihr immer auf dem Fusse nach, bis zu ihrem Stuhl. Da sass er und rief: »Heb mich herauf zu dir!« Sie zauderte, bis es endlich der König befahl.

Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da sass, sprach er: »Nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.« Das tat sie zwar, aber man sah, dass sie’s nicht gerne tat. Der Frosch liess sich’s gut schmecken, aber ihr blieb fast jeder Bissen im Halse stecken. Endlich sprach er: »Ich habe mich satt gegessen und bin müde. Nun trag mich in dein Kämmerlein und mach dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafen legen.«

Die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch. Sie getraute sich nicht, ihn zu berühren. Und dieser Frosch wollte nun in ihrem schönen, reinen Bettlein schlafen. Der König aber wurde zornig und sprach: »Wer dir geholfen hat, als du in Not warst, den sollst du hernach nicht verachten.«

Da musste sie es hinnehmen, dass der Frosch hinter ihr herhüpfte, als sie im Schein einer Kerze zu ihrer Kammer hinaufstieg. Sie war immer stolz darauf gewesen, dass ihr Vater ein gerechter König war, dass die Armen ihn liebten und die Schurken ihn fürchteten. Aber heute war ihr seine Gerechtigkeit dem hässlichen Frosch gegenüber höchst unbequem.

So liess sie diesen also mit einem Seufzer in ihre Kammer hüpfen. Da sass er nun auf dem Fussboden und schaute sie an, dass sie sich nicht getraute, ihr Nachtgewand anzuziehen. Ratlos setzte sie sich auf ihr Bett. Da kam er ermattet gehüpft und sprach: »Ich bin müde. Ich will schlafen so gut wie du. Heb mich hinauf oder ich sag’s deinem Vater.«

Da wurde sie bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn mit aller Kraft gegen die Wand. »Nun wirst du Ruhe geben, du garstiger Frosch!« Als er aber herabfiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen, freundlichen Augen. Er erzählte ihr, er wäre von einer bösen Hexe verwünscht worden und niemand hätte ihn aus dem Brunnen erlösen können als sie allein.

Wie erstaunt war da die jüngste Königstochter und wie froh, denn der Königssohn gefiel ihr über alle Massen. Und als er sie nun fragte, ob sie seine Gemahlin sein wolle, da sagte sie mit Freuden ja. Wie erstaunt war erst der König, als seine jüngste Tochter mit einem schönen Königssohn vor ihn trat und sagte, das sei der garstige Frosch gewesen, und nun wolle sie seine Frau werden und mit ihm in sein Reich gehen. Da herrschte grosse Freude im ganzen Königreich, und die Hochzeit wurde gefeiert.

Am Morgen darauf, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen herangefahren, mit acht weissen Pferden bespannt. Hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich war sehr traurig, als sein Herr in einen Frosch verwandelt worden war. Er hatte um sein Herz drei eiserne Bänder legen lassen, damit es ihm nicht vor Traurigkeit zerspränge.

Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen. Der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf den Bock und war voller Freude über die Erlösung seines Herrn.

Als sie ein Stück gefahren waren, hörte der Königssohn, dass es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief: »Heinrich, der Wagen bricht!« »Nein, Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in grossen Schmerzen, als ihr in dem Brunnen sasst und ein Frosch gewesen wart.«

Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche. Es waren aber doch nur die Bänder, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war.



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