Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Die goldene Gans

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hiess der jüngste Dummling. Er wurde von allen verachtet und verspottet. Eines Tages wollte der älteste Sohn in den Wald gehen, um Holz zu hacken. Seine Mutter packte ihm einen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein ein, das sollte sein Mittagessen sein.

Im Wald begegnete ihm ein altes, graues Männlein, das bat: »Gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche und lass mich einen Schluck Wein trinken, ich bin so hungrig und durstig.« Der kluge Sohn aber antwortete: »Geb’ ich dir meinen Kuchen und meinen Wein, so habe ich selber nichts. Pack dich und geh!« Es dauerte nicht lange, da rutschte ihm die Axt aus und fuhr ihm in den Arm. Er musste heimgehen und sich verbinden lassen. Das war von dem grauen Männchen gekommen.

Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, und auch ihm gab die Mutter einen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit. Auch ihm begegnete das graue Männchen und bat um Kuchen und Wein. Aber auch er gab ihm nichts. Die Strafe blieb nicht aus. Er hackte sich ins Bein und musste nach Hause getragen werden.

Nun wollte Dummling holzhacken gehen, aber der Vater meinte, er verstehe nichts davon. Dummling bat so lange, bis der Vater nachgab. »Dann geh nur«, sagte er, »durch Schaden wird man klug!« Die Mutter gab ihm einen Kuchen, der war mit Wasser in der Asche gebacken. Dazu eine Flasche saures Bier.

Als er in den Wald kam, begegnete auch er dem alten, grauen Männchen. Das grüsste ihn und sprach: »Gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Schluck aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig.« Da antwortete der Dummling: »Ich habe aber nur Aschenkuchen und saures Bier. Wenn dir das recht ist, so wollen wir uns setzen und essen.«

Als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, da war’s ein feiner Eierkuchen, und das saure Bier war ein guter Wein. Nun assen und tranken sie, dann sprach das Männlein: »Weil du ein gutes Herz hast und mit anderen teilst, so will ich dir Glück bescheren. Dort steht ein alter Baum, hacke ihn ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden.« Darauf nahm das Männlein Abschied.

Der Dummling hieb den Baum um. Als er fiel, sass in den Wurzeln eine Gans mit goldenen Federn. Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirtshaus. Dort wollte er übernachten. Der Wirt hatte aber drei Töchter, die hätten gar gern eine der goldenen Federn gehabt.

Die Älteste fasste die Gans beim Flügel, als der Dummling einmal hinaus-gegangen war. Da blieben ihr die Finger fest daran hängen. Bald danach kam die Zweite, kaum aber hatte sie ihre Schwester angerührt, so blieb sie hängen.

Endlich kam auch die Dritte, da schrien die andern: »Bleib weg, um Himmels willen, bleib weg!« Aber sie begriff nicht, warum sie wegbleiben sollte und dachte: »Sind die dabei, so kann auch ich dabei sein«. Da blieb auch sie an ihrer Schwester hängen. So mussten sie die Nacht bei der Gans zubringen. Am anderen Morgen nahm der Dummling die Gans unter den Arm, ging fort und kümmerte sich nicht um die drei Mädchen, die daran hingen. Sie mussten immer hinter ihm drein laufen.

Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer. »Schämt euch, ihr bösen Mädchen!« rief er. »Was lauft ihr dem jungen Burschen nach, ist das anständig?« Er fasste die Jüngste an der Hand und wollte sie wegziehen. Wie er sie aber berührte, blieb auch er hängen.

Nicht lange, so kam der Kirchendiener. Er fasste den Pfarrer am Ärmel und rief: »Wohin so geschwind, Herr Pfarrer? Vergesst nicht, dass wir heute noch eine Kindstaufe haben!« Ja, nun klebte auch er fest! Wie sie alle so hintereinander hertrabten, kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld. Da rief ihnen der Pfarrer und bat, sie sollten ihn und den Kirchendiener losmachen. Kaum aber hatten sie den Kirchendiener angefasst, so blieben sie hängen. Jetzt waren es nun sieben, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.

Darauf kam er in die Stadt des Königs. Dessen Tochter war so ernsthaft, dass niemand sie bisher zum Lachen bringen konnte. Darum hatte der König ein Gesetz erlassen: Wer sie zum Lachen bringen könne, der solle sie heiraten. Als der Dummling das hörte, ging er mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter. Als diese die sieben Menschen immer hinter der Gans herlaufen sah, fing sie an zu lachen und wollte gar nicht mehr aufhören.

Da verlangte sie der Dummling zur Braut. Dem König aber gefiel der Schwiegersohn nicht, er machte allerlei Einwendungen und sagte, er müsste ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könne.

Da dachte der Dummling an das graue Männchen und ging zu der Stelle, wo er die goldene Gans gefunden hatte. Auf dem Baumstumpf sass ein Mann und machte ein betrübtes Gesicht. »Was fehlt dir denn?« fragte der Dummling.

Da antwortete er: »Ich habe so grossen Durst und kann ihn nicht löschen. Das kalte Wasser vertrage ich nicht, ein Fass Wein habe ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einem heissen Stein?« »Dir kann geholfen werden!« sagte der Dummling, nahm ihn mit und liess ihn beim König den Keller Wein austrinken. Der Dummling verlangte abermals die Braut. Der König aber ärgerte sich, dass ein Bursche, den jedermann Dummling nannte, seine Tochter haben sollte.

So machte er neue Bedingungen: Er sollte einen Mann bringen, der einen Berg Brot essen könne. Da ging der Dummling wieder zu dem grauen Männchen und fand dort einen Mann, der vor den Augen des Königs einen ganzen Berg Brot aufass. Der Dummling forderte zum dritten Mal die Braut. Der König aber gebrauchte die letzte Ausflucht und verlangte ein Schiff, das zu Wasser und zu Land fahren könne.

Da ging der Dummling ein drittes Mal zu dem grauen Männchen. Es sass auf dem Baumstumpf und sagte: »Ich habe für dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben. Das alles tue ich, weil du barmherzig zu mir gewesen bist.« Dann gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr.

Als der König das sah, konnte er dem Dummling seine Tochter nicht länger vor-enthalten. Die Hochzeit wurde gefeiert. Und nach des Königs Tod erbte der Dummling das Reich und lebte lange, lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin.



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