Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Die drei Schulmeister

Art: Schwank
AutorIn: unbekannt
Land: Persien (Iran)
Sprecher: Tom Keymer

Ein Reiter kam des Weges daher. Da traf er drei gebildete Männer, die grade durch Unterrichten von Kindern ihren Lebensunterhalt verdienten. Er grüsste zu ihnen hinüber und ritt weiter. »Mich hat er gegrüsst«, sagten sie alle drei. Und da sie sich nicht darüber einigen konnten, wem von ihnen der Gruss des Reiters gegolten hatte, gerieten sie in einen Wortstreit. Zuletzt beschlossen sie, ihn selber zu fragen. Sie setzten also im Laufschritt hinter dem Reiter her und riefen ihm nach, bis er sein Pferd anhielt.

Als sie ihn erreicht hatten, fragten sie ihn: »Wen von uns hast du gegrüsst?« — Er antwortete: »Ich grüsste den Dümmsten von euch.« Nun wollte jeder von den drei Lehrern der Dümmste sein. Das Beste war wohl, dass jeder von ihnen eine seiner Torheiten erzählte, damit sie sich klar darüber werden konnten, wer von ihnen der Dümmste sei.

Der erste erzählte: »Eines Tages, als ich mit meinen Kindern rund um mich herum in der Schule sass und sie gerade ihre Aufgaben durchgingen, geschah es, dass ein Huhn in den Brunnen fiel. Ich band mir ein Seil um den Leib und liess mich daran in den Brunnen hinab, während die Kinder das Ende des Seiles festhielten. Als ich halbwegs in den Brunnen hinabgekommen war, musste eins der Kinder niesen, aber die anderen klatschten nicht in die Hände.

Da wurde ich böse. Und während ich so mitten im Brunnen hing, rief ich:  »Warum klatscht ihr nicht in die Hände?« Sofort liessen die Kinder das Seil los und klatschten in die Hände. Und ich fiel auf den Grund des Brunnens und brach mir das Bein, so dass ich seit dieser Zeit hinken muss. Kann man sich wohl eine grössere Dummheit vorstellen?«

»Das ist doch gar nichts«, sagte der zweite, »aber nun sollt ihr bloss mal hören. Eines Sonnabends fing die Schule wieder an. Die Kinder, die am vorhergehenden Tage freigehabt hatten, hatten miteinander verabredet: Morgen wollen wir alle, einer nach dem anderen, dem Lehrer sagen, er sei krank.

Der erste Schüler trat also ein, grüsste und setzte sich und sagte: »Herr Lehrer, was ist denn mit Ihnen, Sie sind ja so bleich. Sie sind sicher krank.« Dann kam der zweite herein und sagte: »Wie kommt es doch, dass Sie so hohläugig sind?« Und der dritte sagte: »Ihre Nase ist wirklich lang geworden. Was fehlt Ihnen?«

Da war ich überzeugt, dass ich krank sein müsse. Ich gab den Kindern frei und ging nach Hause und sagte zu meiner Frau, sie solle einen Arzt holen. Sie ging, und da ich inzwischen hungrig geworden war, stand ich auf und öffnete die Tür zur Speisekammer. Da lagen vom vorhergehenden Tage einige Klösse aus Fleisch und Reis. Ich fing an zu essen und hatte grade einen Kloss in den Mund gesteckt, als der Arzt hereintrat, ehe ich den Kloss hatte kauen können.

Da stand ich nun mit dem Kloss im Munde und konnte ihn nicht herunterkriegen. Der Arzt untersuchte mich und glaubte, mein Gesicht sei geschwollen. »Wir müssen einen Einschnitt vornehmen«, sagte er, und zog sein Skalpell hervor und schnitt mir die Wange auf. Als er das Skalpell herauszog, sass dort ein Korn des gekochten Reises auf der Spitze. »Das ist ein kleiner Wurm«, sagte er zu meiner Frau, »kannst du sehen, wie fein ich ihn herausgezogen habe? Wenn ich das nicht getan hätte, wäre dein Mann jetzt tot.«

Der Arzt bekam seinen Lohn. Ich musste mehrere Tage das Bett hüten, bis die Wunde geheilt war. Die Kinder hatten währenddem Ferien und konnten nach Herzenslust spielen. Ich kann mir nicht denken, dass sich irgendeine andere Dummheit mit der meinigen messen kann.«

»Das ist doch nicht der Rede wert«, sagte der dritte Lehrer. »Ich glaube doch, dass ich der grösste Dummkopf bin. Hört nur her:
Eines Morgens ging ich zum Wasserbassin hinaus, um mich zu waschen. Als ich mein Spiegelbild im Wasser sah, glaubte ich, es sei ein Dieb, der sich im Bassin versteckt hatte. Und da rief ich die Kinder herbei. Sie kamen gelaufen. Ich gab jedem von ihnen einen Stock in die Hand und sagte: »Da ist ein Dieb im Bassin. Nun gehe ich in das Wasser hinab. Ihr steht alle auf eurem Posten, und wenn einer aus dem Wasser heraufkommt, dann ist es der Dieb, und dann müsst ihr alle auf ihn losschlagen.«

Ich ging also in das Bassin und tauchte unter. Aber so sehr ich auch suchte, konnte ich doch keinen Dieb dort unten finden. Ich musste wohl oder übel den Kopf aus dem Wasser herausstrecken. Aber die Kinder glaubten ja, dass es der Dieb sei, der sich zeige, und sie schlugen mir mit ihren Stöcken auf den Kopf und ins Gesicht, so dass ich den Kopf wieder unter Wasser stecken musste.

So ging das eine ganze Zeit. Ich hielt mich unter Wasser, solange ich konnte, aber jedesmal, wenn sich mein Kopf über der Oberfläche zeigte, schlugen die Kinder drauflos. Ich rief ihnen zu, dass ich der Lehrer und nicht der Dieb sei, aber das störte sie nicht. Zuletzt kam meine Frau und befreite mich.«

Der Reiter betrachtete die drei Lehrer, und dann sagte er: »Ich grüsste euch alle drei.«



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