Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Die Froschfee

Art: Märchen
AutorIn: unbekannt
Land: Frankreich
Sprecher: Tom Keymer

Eine arme Witwe lebte allein mit ihrem Sohn in einer elenden Hütte am Rande eines grossen Waldes. Die arme Frau hätte ihren Sohn gern in die Schule geschickt mit den anderen Kindern seines Alters. Aber ihre Not gestattete es ihr nicht. Sie war gezwungen, ihr Kind jeden Tag, durch Gestrüpp und Dickicht in den Wald zu schicken, um Holz zu sammeln.

Das Holz, das Wilhelm, so hiess der Knabe, heimbrachte, wurde in zwei Teile geteilt: die grösseren Stücke wurden an die reichen Dorfleute verkauft, und die kleinen Zweige und Reiser blieben zu Hause, um im Sommer die Suppe zu kochen und im Winter die Hütte zu heizen.

Eines Tages war der kleine Junge wieder in den Wald gegangen. Eine Menge totes Holz war gesammelt, und er hatte schon ein beträchtliches Bündel beisammen. Da hörte er plötzlich kurze, durchdringende Schreie, die von dem nahe gelegenen Weg kamen.

»Was mag das sein?« fragte sich Wilhelm. »Ist da vielleicht ein armes Tier in Gefahr?« Und schnell lief er hin. Ein riesiger Fuchs hatte ein hübsches Laubfröschchen gepackt und wollte es grade fressen, als Wilhelm kam. Das mutige Kind trat dem Fuchs entgegen und zwang ihn, das grüne Fröschchen loszulassen.

»Oh, das hübsche Tier!« rief das Kind. »Ich werde es nach Hause mitnehmen.« Vorsichtig hob Wilhelm den Frosch auf und steckte ihn in seine Tasche. Mit seinem Bündel Holz auf dem Kopf kam er nach Hause.

»Mutter, sieh nur den schönen Laubfrosch, den ich im Walde gefunden habe. Ich werde ihn in ein grosses Gefäss mit Wasser setzen, wenn du es mir erlaubst.«

»Was willst du mit diesem Frosch, Wilhelm? Du findest überall Frösche im Walde.« »Das ist wahr, aber sie sind nicht wie dieser Frosch.« Und der kleine Junge erzählte, wie er diesen Laubfrosch gerettet hatte. »Dann lass ihn hier, aber sorge gut für ihn, denn es wäre nicht recht, ihn hierzubehalten und ihn sterben zu lassen.«

Von diesem Tage an kehrte der Wohlstand ins Haus der Witwe zurück. Sie fand eine volle Börse in ihrer Truhe, ohne dass es sich aufklärte, wer sie dort hingelegt hatte. Dann fiel ihr eine Erbschaft zu, so dass die gute Frau ihren Sohn in die Dorfschule schicken konnte und danach in die Stadtschule. Und bald wurde der Jüngling sehr gelehrt. Als er durch ganz Deutschland und durch ganz Frankreich reiste, begegnete ihm niemand, der es mit seinem Wissen aufnehmen konnte.

Ihr könnt euch denken, wie glücklich seine Mutter war, und oft sagte sie zu ihren Dorfnachbarinnen: »Der Laubfrosch, den mein Sohn im Walde gefunden hat, muss wohl die Ursache all des Glückes sein, das uns begegnet.« Dafür liebte sie auch das Laubfröschchen, und sie pflegte es aufs sorgfältigste.

Eines schönen Tages kehrte der junge Gelehrte von seiner Reise zurück. Nachdem er seine Mutter umarmt hatte, wollte er den grünen Laubfrosch sehen. »Liebes Tierchen«, sprach er zu ihm, »ich danke dir für alles, was du für meine Mutter und für mich getan hast. Du sollst mit uns speisen und den Ehrenplatz bei Tisch einnehmen.«

Das Laubfröschchen begann zu springen und zu tanzen, als hätte es Wilhelms Rede verstanden. Dann, als das Essen aufgetragen war, kam es aus seinem Unterschlupf heraus und setzte sich auf den Sessel, der ihm bestimmt war.

Da aber verwandelte sich plötzlich der Laubfrosch in ein junges Mädchen von grosser Schönheit. Es hatte grosse, blaue Augen und lange, blonde Haare. Niemals hatte der junge Gelehrte soviel Schönheit bei einem Menschen gesehen. Nach kurzem Schweigen sprach das liebenswürdige Geschöpf zu ihm:

»Ich bin eine Waldfee. Du warst mir schon oft aufgefallen, wenn du im Gestrüpp und im Dickicht tote Zweige suchtest. Ich bewunderte deinen Mut und deinen Arbeitseifer. Ich wünschte dir Gutes, und darum hatte ich die Gestalt eines Laubfrosches angenommen, um dein Herz zu erproben. Du hast die Prüfung gut bestanden und bist alles dessen würdig, was ich für dich und deine Mutter getan habe. Denn ich hatte die Börse in die Truhe gelegt. Und auch ich hatte das Geld geschickt, das als Erbschaft eines verstorbenen Verwandten ausgezahlt wurde. Ich war es auch, die dir Klugheit und wissenschaftlichen Geist schenkte. Jetzt möchte ich dich etwas fragen: Ich liebe dich, willst du mich heiraten?«

»Schöne Fee, gewiss möchte ich dich gern zur Frau, aber wir haben unser kleines Vermögen für meinen Unterricht und für meine Reisen ausgegeben, und es bleibt uns fast nichts mehr. Ich möchte nicht, dass du Not leidest.« »Ist es nur das, was dich zurückhält? Dann ... sieh meine Macht!«

Und die Fee ergriff eine Handvoll Bohnen, die dort in einem Sack lagen und verwandelte sie in schöne, blanke Goldstücke.

Acht Tage später wurde die Hochzeit in der Kirche des Nachbardorfes gefeiert.

Als sie nach der Heirat zurückkehrten, wunderte sich der Gelehrte sehr! An Stelle der Hütte, die er am Morgen verlassen hatte, sah er ein wunderbares Schloss. Wieder war es die Fee, seine Frau, die durch ihre Macht in so kurzer Zeit den herrlichen Palast errichtet hatte, wo sie seither mit ihrem Gatten viele Jahre lang glücklich lebte.



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