Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Der Schlauberger

Art: Schwank
AutorIn: unbekannt
Land: Frankreich
Sprecher: Tom Keymer

Ein sehr schlauer Bauer wollte sich eines Tages als Diener in einem Schloss verdingen. Er bat den Torwart, ihn dem Schlossherrn vorzustellen. Der Torwart erklärte sich dazu bereit, aber zuerst wollte er seinen Namen wissen. »Warum wollt ihr meinen Namen wissen?« »Weil ich alle Leute im Schloss kennen muss.« »Ihr werdet mich auch so erkennen!« »Ich sage dir, dass ich wissen muss, wie du heisst.«

»Ich hätte euch schon meinen Namen genannt, aber ... er ist allzu lächerlich. Da ihr’s durchaus wissen wollt, ich heisse >Ich-selbst<.« Der Torwart stellte ihn also dem Schlossherrn vor.

»Was willst du?« fragte ihn dieser. »Als Kammerdiener bei euch arbeiten.« »Gut. Du bekommst zwanzig Taler im Jahr, dazu die Kleidung. Übrigens, wie heisst du?« »Ich wage es nicht zu sagen. Mein Name ist so komisch.« »Das macht nichts.« »Nun denn, ich heisse: >Haltet-mich-hinten-fest<.«

Der Schlossherr schickte seinen neuen Kammerdiener zu seiner Frau und seiner Tochter, um nach ihren Befehlen zu fragen. »Wie heisst du?« fragte die Dame. »Madame, mein Name ist sehr hässlich, aber da ihr ihn wissen wollt, ich heisse >der-Mond<.« Das junge Fräulein stellte ihm die gleiche Frage, und der Diener antwortete, er heisse >die-Sosse<. Als er mit der Magd allein war, fragte ihn auch diese nach seinem Namen, und er antwortete, er heisse >der-Kater<.

Als es Abend geworden war, wurde der Diener beauftragt, bei Tisch zu bedienen. In einer der Schüsseln war eine Sosse, von der das junge Mädchen trotz der Vorhaltungen seiner Eltern mehrmals nahm. Nach dem Abendessen gingen der Herr, seine Frau und seine Tochter schlafen. Der Diener hatte durch den Duft der Speisen, die er seiner Herrschaft aufgetragen hatte, Appetit bekommen, und so wollte er sich eine gute Mahlzeit gönnen.

Er setzte sich zu der Magd in die Küche, in der Hoffnung, dass sie hinausgehen würde, damit er eine Hammelkeule oder ein Huhn erwischen könne. Aber die Magd merkte es, und da sie ihn mehrmals ermuntert hatte, schlafen zu gehen, ohne dass er Miene machte, der Aufforderung nachzukommen, ging sie ins Zimmer ihres Herrn, der schon im Bett lag, und weckte ihn.

»Was ist los?« »Der-Kater will am Herd sitzen bleiben.« »Du dummes Ding, so lass ihn doch sitzen!« sagte der Herr, denn er dachte, der Kater sei gemeint.

Die Magd ging schlafen, und der Diener speiste ausgiebig. »Ein paar Kirschen als Nachspeise würden mir wohl gefallen«, dachte er. Und er kletterte auf einen hohen Kirschbaum, der vor dem Schlafzimmer stand. Die Dame schlief nicht. Als sie den Diener im Kirschbaum sah, weckte sie ihren Mann.

»Zum Teufel! Was ist schon wieder los?« »Der-Mond ist auf dem Kirschbaum.« »Gut, gut! Lass mich schlafen.« Und der Herr schlief wieder ein.

Der Diener war noch nicht zufrieden. Leise stieg er ins Zimmer der jungen Dame hinauf und legte sich zu ihr ins Bett. »Mama! Mama!« »Was ist los, liebe Tochter?« »Die-Sosse, die-Sosse belästigt mich!«

»Da kann ich dir nicht helfen. Ich hatte es dir ja gesagt. Möge es dir eine Lehre sein.« Diesmal schlief die Dame ein.

Am Morgen kleidete sich der Diener an und stieg leise die Treppen hinunter, um sich aus dem Staube zu machen. Aber das junge Fräulein sagte es ihrem Vater, der sich an die Verfolgung des Burschen machte.

Der Diener lief über den Hof, um zu entwischen, und der Herr rief: »Packt ihn! Haltet-mich-hinten-fest! Packt ihn! Haltet-mich-hinten-fest!« Die andern Diener ergriffen ihren Herrn am Rockschwanz, denn sie glaubten nicht anders, als dass er ihnen befehle, ihn hinten festzuhalten. Das machte ihn nur noch wütender.

Der Torwart wollte den Diener packen, aber dieser warf ihn in einen Graben und lief in den Wald. Der Schlossherr kam an den Graben. »Wer hat dich da hineingeworfen?« »Ich-selbst war’s! Ich-selbst war’s!« »Was beklagst du dich dann!« rief der Herr.

Derweil war der Diener verschwunden, und der Herr hörte nie wieder von ihm.



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