Rumpelstilzli.li - E-Learning für die ersten 3 Schuljahre

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Der Mond

Art: Märchen
AutorIn: Brüder Grimm
Land: Deutschland
Sprecher: Tom Keymer

Früher gab es ein Land, wo die Nacht immer dunkel und der Himmel wie ein schwarzes Tuch darüber gebreitet war. Niemals ging dort der Mond auf, und kein Stern blinkte in der Finsternis. Bei der Erschaffung der Welt hatte das nächtliche Licht ausgereicht.

Aus diesem Land gingen einmal vier Burschen auf die Wanderschaft und gelangten in ein anderes Reich. Wenn da abends die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, stand auf einem Eichbaum eine leuchtende Kugel, die weit und breit ein sanftes Licht ausgoss. Man konnte dabei alles sehen.

Die Wanderer standen still und fragten einen Bauern, der da mit seinem Wagen vorbeifuhr, was das für ein Licht sei. »Das ist der Mond«, antwortete dieser, »unser Schultheiss hat ihn für drei Taler gekauft und im Eichbaum befestigt. Er muss täglich Öl aufgiessen und ihn rein halten, damit er immer hell brennt. Dafür erhält er von uns wöchentlich einen Taler.«

Als der Bauer weggefahren war, sagte der eine von den Burschen: »Diese Lampe könnten wir brauchen! Wir haben daheim eine Eiche, die auch so gross ist, daran können wir sie hängen. Was für eine Freude, wenn wir nachts nicht in der Finsternis umher tappen!«
»Wisst ihr was?« sprach der zweite, »wir wollen Wagen und Pferde holen und den Mond wegführen. Sie können sich hier einen andern kaufen.«

»Ich kann gut klettern«, sprach der dritte, »ich will ihn schon herunter holen.« Der vierte brachte einen Wagen mit Pferden herbei, und der dritte stieg den Baum hinauf. Dann bohrte er ein Loch in den Mond, zog ein Seil hindurch und liess ihn herab. Als die glänzende Kugel auf dem Wagen lag, deckten sie ein Tuch darüber, damit niemand den Raub bemerken sollte.

Sie brachten ihn glücklich in ihr Land und stellten ihn auf eine hohe Eiche. Alte und Junge freuten sich, als die neue Lampe ihr Licht über alle Felder leuchten liess und Stuben und Kammern damit erfüllte. Die Zwerge kamen aus den Felsenhöhlen hervor. Die kleinen Wichtelmänner tanzten in ihren roten Röckchen auf den Wiesen den Ringeltanz.

Die vier Burschen versorgten den Mond mit Öl, putzten den Docht und erhielten wöchentlich ihren Taler.
Aus den vier Burschen wurden langsam alte Männer. Als der eine erkrankte und seinen Tod voraussah, sagte er, dass der vierte Teil des Mondes sein Eigentum sei. Man solle ihm diesen Teil mit in das Grab geben.

Als er gestorben war, stieg der Schultheiss auf den Baum und schnitt mit der Heckenschere ein Viertel ab, das in den Sarg gelegt wurde. Das Licht des Mondes nahm ab, aber noch nicht merklich. Als der zweite Mann starb, wurde ihm das zweite Viertel mitgegeben, und das Licht minderte sich. Noch schwächer wurde es nach dem Tod des dritten Mannes, der ebenfalls seinen Teil mitnahm. Als der vierte ins Grab kam, trat die alte Finsternis wieder ein. Wenn die Leute abends ohne Laterne ausgingen, stiessen sie mit den Köpfen zusammen.

Jetzt waren aber die Teile des Mondes in der Unterwelt wieder zusammen. Dort hatte bis jetzt immer Dunkelheit geherrscht. Die Toten wurden unruhig und erwachten aus ihrem Schlaf. Sie staunten, als sie wieder sehen konnten. Sie erhoben sich, wurden lustig und nahmen ihre alte Lebensweise wieder auf. Die einen gingen zum Spiel und Tanz, andere liefen in die Wirtshäuser, betranken sich, tobten und zankten. Der Lärm wurde immer ärger und drang endlich bis in den Himmel hinauf.

Petrus, der das Himmelstor bewachte, glaubte, die Unterwelt wäre in Aufruhr geraten. Er rief die Engel zusammen, die den bösen Feind zurückjagen sollen. Da der Feind aber nicht kam, setzte er sich auf sein Pferd und ritt durch das Himmelstor hinab in die Unterwelt. Da brachte er die Toten zur Ruhe. Er befahl ihnen, sich wieder in ihre Gräber zu legen und nahm den Mond mit fort. Dann hängte er ihn oben am Himmel auf.



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